Whiskybase
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Knapp ein Monat vor unserem ersten Trip nach Edinburgh buchte ich für die Familie Tour-Tickets bei der Holyrood Destillerie. Und an meinem Geburtstag besuchten wir dann diese junge Brennerei, die mit ihrer Eröffnung 2019 nach fast 100 Jahren wieder das Whiskybrennen in der schottischen Hauptstadt brachte. Die in einem alten viktorianischen Eisenbahndepot untergebrachte Brennerei verbindet alte wie auch moderne Architektur-Elemente. Umgeben von Wohnsiedlungen ist das Gelände nicht groß. Über einen kleinen Hof mit Sitzgelegenheiten gelangt man direkt in den Shop und von dort über Stiegen in die Bar bzw. in die Produktionsräume.
Teil der interessanten Führung, unser Tour Guide Dave war sehr witzig, brachte aber zugleich die Inhalte sehr gekonnt rüber, ist auch der Besuch im Labor, wo neben vielen Gläsern, Flaschen und etlichen Zutaten auch eine kleine Brennanlage steht. Auf ihr wurden und werden ständig neue Rezepte ausprobiert. Weit über 100 verschiedene Kombinationen aus Gerste und Hefe wurde so schon erprobt und archiviert - und man kann einige dieser New Makes auch probieren und kaufen. Dieser Aspekt, dieses Erforschen und Ausprobieren gefällt mir an dieser in vielen Belangen untypischen Brennerei.
Während der Tour bekamen wir mit dem Ambir die erste mehr oder weniger Standardabfüllung zum Verkosten. Auch in einem der beiden Flights, die wir anschließend in der Bar durchprobierten, war ein Glas vom Ambir dabei. Neben ein paar anderen Samples und einer Flasche erstanden wir im Shop auch ein Probierfläschchen vom Ambir.
Ambir stammt aus dem Schottischen und steht für Amber (Bernstein). Wie bei den Abfüllungen von Holyrood üblich wurden unterschiedliche Gerstensorten und Hefearten bei der Produktion verwendet. Auch bei der Fassreifung kamen einige Fässer ins Spiel - vorwiegend first- und second-fill Bourbon Casks, aber auch Oloroso Sherry Butts und Hogsheads.
Holyrood agiert äußerst transparent. So kann man auf der Homepage genau nachlesen, was alles im Whisky vermengt wurde. Ohne Kühlfiltration und Nachfärbung kommt der Ambir mit erfreulichen 49,8% in die Flasche.
Aussehen
Helles Gold, reifer Weißwein
Nase
Beim ersten Reinriechen erscheint eine recht intensive säuerliche Note, die stark an einen jungen Weißwein erinnert. Junge knackige grüne Trauben, die über eine gute Portion an Fruchtsäure verfügen. Eine gewisse Mineralik sowie Aromen von getrockneten Gräsern lassen sich ebenfalls erkennen. Der Duft nach mit Vanille angereichertem Feilchensirup, blumig und süßlich zugleich, ist ebenfalls Teil des Geruchspotpourris. Im Hintergrund, als Fundament der anderen Gerüche, etabliert sich mit der Zeit eine Mischung aus malzigen, Butterkeks gleichen Noten zusammen mit gerösteten Nüssen und Cerealien, die für eine nette untermalende Würzigkeit sorgen. Obwohl hier fast 50% Alkoholstärke im Spiel ist, spürt man den Alkohol nicht. Überhaupt ist die Nase sehr weich, ausbalanciert und fühlt sich nicht jungendlich an. Hier könnte man blind locker auf acht bis zehn Jahre Reifezeit tippen.
Mit ein wenig Wasser heben sich vor allem die weichen Vanille- und zuckrigen Getreidemalznoten heraus. Ansonsten bleibt das bekannte Geruchsmuster ziemlich ident.
Geschmack
Leichter Körper, gepaart mit einem weichen, cremigen Mundgefühl. Sofort erscheint eine Süße von Malzzucker, gezuckerten Cornflakes, wo man noch das Getreide schmeckt. Eine ordentlicher Schöpflöffel Vanillepudding gleitet über die Zunge, sehr cremig kleidet der Single Malt den Mundraum aus.
Den süßen Getreideflocken und der Vanille folgt eine Würzigkeit, die etwas Pfefferschärfe mitbringt. Auch herbe dunkle Schokolade ist nun im Spiel. Hier scheint das Eichenholz der Fässer sich zu zeigen.
Wie schon beim Geruch ist auch beim Geschmack der Alkohol nie störend oder zu stark. Man kann den Whisky ohne Probleme pur ohne Wasserzugabe genießen.
Gibt man trotzdem ein wenig Wasser hinzu wird es sofort süßer, die Vanillearomen nehmen zu, zugleich wird es jedoch auch würziger, der schwarze Pfeffer bekommt Aufschwung.
Abgang
Geröstete Nüsse zusammen mit ein paar getrockneten Datteln und den letzten Resten des Vanillepuddings sorgen für ein mittellanges Finish. Zum Schluss liegt noch etwas Eichenwürze am Gaumen und auf der Zunge, die noch ein wenig länger verweilt.
Fazit
Trotz seiner wenigen Lenze von nicht mal ganz 5 Jahren ist der Ambir ein sehr gut gemachter Single Malt, dem man auch ein paar Jahre mehr Reifezeit glauben würde. Er ist sehr cremig und ausgesprochen homogen. Die Aromen sind vollmundig, obgleich der Malt leichtfüßig daherkommt. Die überwiegend verwendeten Ex-Bourbonfässer haben dem Destillat eine feine Vanillenote verpasst, die richtig Spaß macht. Die weinigen Aromen vom Geruch fand ich im Geschmack kaum noch wieder. Dies stört aber nicht. Ob es die vielen unterschiedlichen Gersten- und Hefearten benötigt hat, ich weiß nicht. Aber ich bin wirklich sehr gespannt, was Holyrood in den nächsten Jahren auf den Markt bringt, vor allem wenn der New Make länger reift.
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